Das Projekt CineCorsoCologne
Die von uns geborgene Projektionstechnik der Corso-Lichtspiele, eines vergessenen Stadtteilkinos, soll zur Grundausstattung eines Lehr- und Experimentier-Kinos für historische Aufführungspraxis in Köln werden.
Wie es war...
Eckdaten der Geschichte eines der ältesten Veedel-Kinos in Köln Kalk.
1911 oder früher: Eröffnung als Victoria-Theater
Im Jahr 1911 eröffnet der Kinematographenbesitzer Wilhelm Nießen das Victoria-Theater in der Kalker Hauptstraße 145-147. Er hatte wohl schon ca. 1905 ein Kinematographen-Theater gleichen Namens in der Kalker Hauptstraße 45 betrieben1 . Anfang der 1920er Jahre erfolgt die Umbenennung in Corso-Lichtspiele2.
Die Corso-Lichtspiele bis 1949
1937 befindet sich das Kino im Besitz von Werner Hürfeld. Die Corso Lichtspiele waren zu dieser Zeit mit AEG Projektoren, Klangfilm Tonanlage und Diabildwerfer ausgestattet. Am 4. November 1949 wird der von den neuen Pächtern (den Brüder Schwarze) gestellte Antrag auf eine Betriebslizenz für das Corso von Kulturamt und britischer Militärregierung bewilligt3.
1957 erfolgt Abriss des alten Gebäudes zugunsten der Verbreiterung der Kalker Hauptstraße.
Die Corso-Lichtspiele 1958
Neueröffnung der Corso-Lichtspiele, im vergrößerten Neubau, mit großem, aufwendig ausgestattetem Kinosaal, Klangfilm Eurodyn-Lautsprecheranlage, Klangfilm Einkanal-Lichtton-, Vierkanal-Magnettonanlage modernster 35mm Cinemascope Projektionstechnik (zwei Bauer B14 Projektoren, der linke ausgestattet mit Bauer Dia-Ansatzgerät. Dia-Überblendung erfolgte mit einer Buchblende der Kölner Firma KIWE.
Kostengünstige Saalvermehrung - Das Studio im Corso
Ende der 1970er Jahre wird zusätzlich zum Hauptsaal ein kleines ‚Studio‘-Schachtelkino mit ca. 38 Sitzen eingerichtet. Betreiber ist zu der Zeit die Josef Hütten KG. Im Studio wurden nach Aussage der Tochter des damaligen Hausmeisters Giallos, Sandalenfilme, Spaghetti-Western, Eastern und später Softpornos gezeigt.
Während der Bergung des vorhandenen Equipments haben wir die vielleicht letzte Möglichkeit genutzt, das von Wasserschäden gezeichnete „Studio“ bzw. was davon noch übrig war in diesem Exkurs zu dokumentieren.
Umnutzung des Kinos 1987
Letzter Betreiber des Corso vor der Schließung war die Hans Traum GmbH. Am Ende soll im Corso noch Gebäck verkauft worden sein. Wir fanden den zu diesem Zweck genutzten Backautomaten im ungereinigten Zustand im Projektionsraum des Studios.
Nach der Schließung ca. Juli 1987 belegen ein Lebensmittel-Discounter und eine Spielhalle weite Teile des Hauptsaals.
2016 bricht man im Gebäude eine Tür auf, zu der sich kein Schlüssel mehr finden ließ und entdeckt dahinter die Projektionsräume des Corso mit der nahezu vollständig erhaltenen Technik des Hauptsaals.
Quellen:
1https://www.koeln-im-film.de/datenbank/kinos-a-z/detail/28
2http://www.allekinos.com/KOELNCorso.htm
3Bruno Fischli,„Vom Sehen im Dunkeln“, S.71, S.76, S.162 Köln 1999
Wie es war...(Part II)
Persönliche Geschichten von aus dem Corso
Bernd Böhm, Filmvorführer im Corso Anfang der 1980er Jahre hat uns geschrieben und unsere zahlreichen Fragen bereitwillig beantwortet. Wir widmen seinen Erinnerungen eine eigene Seite und hoffen auf weitere Rückmeldungen von Zeitzeugen.
Wie es ist...
Betrachtungen über das Kino im Lauf der Zeit
corso ital.: der Lauf (der Zeit), die Hauptstraße, die Prachtstraße, der Kursus
In den Anfängen der Kinematografie, beim Wander- und Heimkino fanden die Vorführungen oft in Gaststätten und Gemeindesälen statt, waren Publikum und Projektionstechnik noch nicht strikt von einander getrennt. Die Apparatur war vielmehr, als bis dahin Ungesehenes vermittelnde ‚Wundermaschine‘, Teil der Attrakton.
Der kommerziellen Betrieb der Großstadtkinos beförderte die Trennung in Zuschauer- und Vorführraum primär aus Gründen der Sicherheit (Brandschutz etc.), aber auch aus Gründen der Illusionswahrung (Technik sollte nur im Fehlerfall, z.B. Filmriß etc. sichtbar werden, oder, abstrakter ausgedrückt, durch die Schlagworte der Werbeindustrie. (Diese lauteten damals Cinemascope, Vierkanal-Magnetton, heute 4K, Dolby Atmo etc.).
Auf dieser Trennung beruht die Identifikation des meist aufwendig ausgestatteten Hauptsaals (roter/goldener Samtvorhang, Plüschbestuhlung), mit dem Kinoerlebnis an sich.
Bildet der Zuschauerraum des „Corso“ als ehemaligem „Hauptstraßen-Kino“ also einerseits den Aufstieg (von den Anfängen bis zum Abriß des ursprünglichen Gebäudes), die Hoch-Zeit (Wiedereröffnung im vergrößerten Neubau) und den Verfall (Inbesitznahme des Saals zwecks Erfüllung profanerer Bedürfnisse) dieses „Identifikationsraumes“ ab, gipfelnd in einer bilderstürmerisch anmutenden Verwüstung (die Lautsprecher der eigens für die Verbreitung des Tonfilms gegründeten, Firma Klangfilm mit noch verbliebenen Stuhlreihen aufeinander gestapelt, der Kasch zerfetzt, die Leinwand zerrissen), so steht der Vorführraum für das Ausblenden der diesen Identifikationsraum eigentlich erst bedingenden Projektionstechnik. Eingekapselt im Inneren des modernen Wohn- und Geschäftshauses erstreckte sich ein verzweigtes fensterloses Labyrinth teils „verbotener“ Räume (Batterieraum der Notstromanlage mit offenen Blei-Schwefelsäure-Batterien, Gleichrichterraum gesichert mit Gittertür und Kette), das auf die damaligen Vorführer schon klaustrophobisch gewirkt haben muß. Innerhalb dieses blieb die Technik im laufenden Kinobetrieb vor der Aussenwelt verborgen, aber auch geborgen vor Zerstörung oder Zerstreuung nach dessen endgültiger Schließung.
Verborgen war auch der einstige Glanz der Maschinen unter Schichten von Nikotin und Teer, die den charakteristischen blauen Bauer-Hammerschlaglack grün-braun verfärbte (die Vorführer hatten die Projektorstandfüße als gigantische Aschenbecher mißbraucht). Dennoch wahrte die im Originalzustand von 1958 erhaltene Anlage ihr ästhetisches Gesamtkonzept, unberührt von Ökonomie und Effizienz geschuldeten Umbauten (Automatisierung, Armverlängerung zur Aufnahme von Großspulen, Anpassung an Umlenksysteme für Turm- und Tellerbetrieb etc.), die die Arbeit des Vorführenden erleichtern kann, ihn aber auch der Technik entfremdet. In diesem Sinne stellt der digitale Projektor die Vervollkommnung dieses Entfremdungsprozesses dar, eine „Black Box“, der der Vorführende im Fehlerfall meist hilflos gegenüber steht.
Heute erleben wir die unreflektierte Fortschreibung der Trennung von Publikum und Technik in der vielfach praktizierten Wiederbelebung der Prachtsäle als „nostalgische Hülle“ für eine austauschbare, in der heutigen Zeit digitale, Projektionsapparatur. Die authentischen Projektionsgeräte der großen Kinozeit stehen, wenn sie nicht verschrottet wurden, in Kinomuseen (manchmal lauffähig aufgebaut, aber selten wirklich laufend), oder als Schauobjekte in Kinofoyers. Dort, wo sie vereinzelt noch in öffentlichen Kinos laufen, sind sie aus Desinteresse, Unkenntnis oder Mangel an Technikern schlecht gewartet, werden oft von Vorführern bedient, die keine Chance mehr hatten, ihr Handwerk richtig zu erlernen. Die daraus resultierenden Mängel in der Projektion werden meist einer, vermeintlich durch die Zeitläufte obsolet gewordenen Projektionstechnik zugeschrieben.
Wie es werden soll...
Das theoretische Konzept des CineCorsoCologne-Projektes
Der Fundzustand des Corso-Kinos kehrt das gerade genannte Prinzip um:
„der Saal als das Offenbare zerstört, die Technik als das Verborgene geborgen“, daraus ist das CineCorsoCologne-Projekt entstanden.
Die im doppelten Sinn verborgene, im doppelten Sinn geborgene Projektionstechnik soll, restauriert, gereinigt und in neuen Räumen wieder aufgebaut, zu einem Kursus in klassischer Kinotechnik einladen,
der jedem Interessierten die Möglichkeit gibt,
- die Technik, in der die größten Werke der Filmgeschichte konzipiert und rezipiert wurden, unmittelbar kennen zu lernen, „stumme“ Filme mit historisch korrekter Begleitung bzw. die Vorführung von echtem Zelluloid zu erleben.
- sich als Vorführer, und/oder als Zuschauer, das Wissen über diese Technik anzueignen und den Umgang mit dem Material Film zu erlernen.
- zum Erhalt einer, auch in Zukunft archivwürdigen, analogen Vorführpraxis in der Medienstadt Köln beizutragen.
- einen konstruktiven, dialogbereiten Gegenentwurf zu einer oft unreflektiert und naiv durchgeführten, alle Bereiche unhinterfragt durchdringenden Digitalisierung mitzuentwickeln.
- in einer vermeintlich unvollkommenen und deshalb nur noch historischen Technik von gestern eine eigene Kunstform und nicht zuletzt ein Modell für Nachhaltigkeit zu entdecken.
Wie es werden soll...(Part II)
Die praktische Umsetzung
Die eingelagerte Technik ist von uns schon teilweise gereinigt und überholt worden. Zur Dokumentation einer historischen Kino-Anlage gehört natürlich auch eine Rekonstruktion des Gesamtaufbaus.
Bitte auf die Bilder klicken, dann erscheint eine vergrößerte Ansicht, in der die Technik im Detail vorgestellt wird.
Wir verstehen uns dabei explizit als ein generationsübergreifendes Projekt und würden uns freuen, pensionierte KinotechnikerInnen VorführerInnen zu gewinnen, um ihr Wissen im Rahmen dieses Projektes zu bergen und zu erhalten.
Programm
Zeigen wollen wir genreübergreifend alles, was (noch oder vielleicht nur noch) in analoger Form zur Verfügung steht, auch Wochenschauen, Kulturfilme, Dokumentationen.
Rechtsform, Ort
Wir wollen auf diesem Weg Unterstützung für dieses Projekt gewinnen. Angedacht ist die Gründung eines gemeinnützigen Vereins.
Da wir die ursprünglichen Räume nicht nutzen können, suchen wir geeignete Räume bevorzugt in Köln. Wichtig wäre es für uns, die heute oft vernachlässigten Grundvoraussetzungen wie z.B. die richtige Erdung des Vorführraums und die Anpassung der heute überwiegend eingesetzten LED-Notbeleuchtung auf Kinobetrieb mittels spezieller Dimmerschaltung (der sogenannten Kino-Schaltung) mit den Verantwortlichen abstimmen zu können. (Den Batterie- und Technikraum der Corso-Anlage würden wir, so weit es der Platz erlauben würde, zu Anschauungszwecken wieder komplett aufbauen).
Wer sich jetzt angesprochen fühlt, dieses Projekt schon in seiner Gründungsphase zu begleiten, bzw. eine Idee für geeignete Räume hat oder uns diese zur Verfügung stellen möchte, melde sich gerne bei der unter ‚Kontakt‘ hinterlegten Adresse. Details zum Verein findet man im Infokasten.